Vom MGM in den Deutschen Bundestag

17. Oktober 2017

In der Eifel aufgewachsen, in der Kurpfalz zuhause und nun einer von 709 Volksvertretern im Berliner Bundestag: Dr. Jens Brandenburg ist mit der FDP ein steiler Aufstieg in der Politik gelungen. Darüber, aber auch über den Menschen hinter dem Abgeordneten hat unser Redakteur Heiner Schepp mit dem 31-Jährigen in unserem folgenden Interview gesprochen.

Herr Brandenburg, zunächst einmal herzlichen Glückwunsch zum Einzug in den Deutschen Bundestag. Ganz ehrlich: Kam das überraschend oder waren Sie aufgrund der guten Prognosen für die FDP bundesweit und Ihres guten Listenplatzes neun in Baden-Württemberg zumindest leise optimistisch?

Brandenburg: Die Umfragen kurz vor der Wahl sahen gut aus. Aber es war ein Zittern bis zum Wahlabend. Die Gewissheit kam erst mit der SWR-Hochrechnung um 18.40 Uhr. Dass Baden-Württemberg nun sogar zwölf FDP-Abgeordnete nach Berlin schickt, hätte ich nicht erwartet.

Bevor wir auf die persönlichen Auswirkungen des Wahlerfolges zu sprechen kommen eine, sagen wir mal, ablauftechnische Frage: Wenn die Koalitionsverhandlungen für Jamaika oder für eine Neuauflage der Großen Koalition scheitern, dürfen wir ja in drei Monaten wieder an die Urne. Wird auch Ihr Gang nach Berlin dann erstmal wieder zurückgedreht? Und: Würden Sie und Ihre Partei bei einer Neuwahl ein ähnliches Ergebnis schaffen?

Brandenburg: Die Union hat einen klaren Auftrag zur Regierungsbildung. Die Bundeskanzlerin ist sicher inhaltlich flexibel genug, diesen Auftrag zu erfüllen. Zu vorgezogenen Neuwahlen wird es nicht kommen.

Setzen wir aber nun mal voraus, dass sich eine Regierung findet, egal ob mit oder ohne Liberale. Was haben Sie bisher beruflich gemacht, und wie sehr wird sich Ihr Leben nun verändern?

Brandenburg: Meinen Lebensunterhalt habe ich in den letzten Jahren bei einer großen Unternehmensberatung verdient. Der Terminkalender wird jetzt viel stärker von Sitzungswochen in Berlin und sitzungsfreien Wochen im Wahlkreis geprägt sein. Ein guter Abgeordneter bringt schließlich gute Leistung in den parlamentarischen Ausschüssen und eine starke Präsenz vor Ort, auch an den Wochenenden. Zeit für das Privatleben mit Freunden und Familie werde ich noch viel bewusster freihalten müssen.

Was haben Sie in den vergangenen zwei Wochen erlebt, und wie geht es nun weiter?

Brandenburg: Die erste Fraktionssitzung mit allen 80 Abgeordneten der FDP war eine spannende Erfahrung. In einem dreitägigen „Bootcamp“ haben wir uns mit erfahrenen Kollegen und der Bundestagsverwaltung auf die nächsten Wochen vorbereitet. Wir sind ja ein richtiges Start-up. Jetzt werden wir Mitarbeiter einstellen, Büroräume organisieren, Abläufe klären und inhaltliche Zuständigkeiten besprechen. Bei der konstituierenden Sitzung des Deutschen Bundestags am 24. Oktober werde ich zum ersten Mal im Plenum sitzen.

Wird es für Sie persönlich einen Unterschied machen, ob die FDP in der Regierungsverantwortung steht oder auf der Oppositionsbank sitzt?

Brandenburg: Ja, sogar sehr stark. Als Mitglied einer Regierungsfraktion hat man einen sehr direkten Draht in die Ministerien. Man kommt schneller an Informationen und kann auch im Detail viel mehr bewirken. Als Oppositionsabgeordneter steht die Kontrolle der Regierung im Vordergrund. Man kämpft zwar häufiger gegen Windmühlen, kann aber dafür die reine Lehre vertreten und langfristige Alternativen deutlich machen. Beides ist wichtig.

Was sind Ihre Themen in der politischen Arbeit, wo möchten Sie sich einbringen?

Brandenburg: Politik soll Probleme lösen, nicht aussitzen. Als junger Abgeordneter setze ich vor allem auf Zukunftsthemen. Wir sollten mehr in Bildung und Infrastruktur investieren, die Chancen der Digitalisierung nutzen und Europa mit Reformen stärken.

Wann haben Sie begonnen, sich für Politik zu interessieren, und was gab den Impuls, aktiv in die Politik einzusteigen und sich für die Freien Demokraten zu entscheiden?

Brandenburg: Als Oberstufenschüler am MGM habe ich am Bundeswettbewerb „Jugend debattiert“ teilgenommen und schnell gemerkt, wie sehr mich politische Debatten und Lösungen begeistern. Nach einem kurzen Ausflug zu den Jusos bin ich als Erstsemester in Mannheim zu den Jungen Liberalen (JuLis) gekommen. Das große Vertrauen in die Selbstbestimmung des Einzelnen hat mich damals schon sehr angesprochen.

Verlassen wir mal die Politik. Sie sind in Mützenich aufgewachsen, der Gastronomiebetrieb Ihrer Eltern, das „Haus Sonnentau“ zwischen Mützenich und Leyloch, ist sicherlich noch vielen ein Begriff. Wie oft sind Sie noch in der Eifel, und was bedeutet für Sie der Begriff „Heimat“?

Brandenburg: Monschau ist meine Heimat, und ich bin immer wieder gerne hier. Mit der Eifel verbinde ich Familie, Freunde und mehr als die Hälfte meines Lebens. „Zuhause“ bin ich aber seit zwölf Jahren in der Kurpfalz. Mit den vielen Waldstraßen, Wiesen, Hügeln und kleinen Dörfern ist mein Wahlkreis Rhein-Neckar der Eifel recht ähnlich.

Sie leben mit Ihrem Partner in der Kurpfalz, wie Ihrer persönlichen Homepage zu entnehmen ist. Die FDP hat sich beim Thema „Ehe für alle“ sehr klar in Ihrem Sinne positioniert. Wie wichtig war diese politische Entscheidung für Sie persönlich?

Brandenburg: Über den Beschluss habe ich mich sehr gefreut. Solche Entscheidungen sollten aber künftig im Parlament fallen, nicht auf dem Podium der „Brigitte“. Für den Alltag mit meinem Lebenspartner ändert sich nichts. Unser Freundeskreis hat aber bereits angekündigt, dass wir im Falle einer „zweiten Hochzeit“ nicht um eine weitere Feier herumkommen.

Von der ländlichen Eifel über die beschauliche Kurpfalz in die Weltstadt Berlin: Wie wird sich der FDP-Bundestagsabgeordnete Dr. Jens Brandenburg mit dem Stadtleben arrangieren? Und was machen Sie in Ihrer künftig sicherlich knapp bemessenen Freizeit?

Brandenburg: Als Bundestagsabgeordneter verbringt man viel Zeit außerhalb von Berlin. Einen Großstadt-Koller erwarte ich also nicht. Die freie Zeit mit Freunden und Familie werde ich aber sehr bewusst verteidigen müssen. Das hilft, die Bodenhaftung nicht zu verlieren.

Noch ein Blick in die Zukunft. Gesetzt den Fall, die FDP etabliert sich wieder als ständiges Mitglied im Deutschen Bundestag, soll Ihr Gang nach Berlin nur ein Intermezzo sein oder könnten Sie sich ein Leben als Berufspolitiker dauerhaft vorstellen?

Brandenburg: Jetzt haben wir erstmal sehr viel Aufbauarbeit und vier Jahre volles Programm vor uns. Was danach kommt, wird sich zeigen. Meine berufliche Absicherung gibt mir jedenfalls die Unabhängigkeit, das jederzeit frei zu entscheiden.

Eine letzte Frage: Wenn eine gute Fee es Ihnen möglich machen würde, schon morgen eine Sache in unserem Land zu verändern, was würden Sie sich wünschen?

Brandenburg: Bildungs- und Aufstiegschancen sollen nicht mehr von der sozialen Herkunft des Einzelnen abhängen.

(Eifeler Zeitung 13.10.2017)




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